„Wir sind bereit, Europa ist bereit. Lasst uns an die Arbeit gehen“, sagte Ursula von der Leyen vor einem Jahr. Eigentlich wollte die EU-Kommissionschefin nicht wie ihr Vorgänger von einer Krise zur nächsten getrieben werden. Sie hatte große Pläne: Die EU soll eine globale Führungsrolle übernehmen, sie soll digitaler werden, gerechter, sicherer, und grüner sowieso. Nicola Beer, stellvertretende FDP-Vorsitzende und Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, kritisiert, dass der vollmundig gestellte Anspruch an eine geopolitische Union bislang ins Leere verlaufen, die EU außenpolitisch so gut wie unsichtbar und innenpolitisch zerstritten sei über Migration, Haushalt und Rechtsstaatsmechanismus. „Insgesamt konnte von der Leyen einige (späte) Akzente setzen, doch ist es ihr nicht gelungen, eine eigene, mutige Vision für Europa voranzutreiben – was nicht zuletzt daran liegt, dass sie sich ein Jahr nach Amtsantritt noch immer nicht freigespielt hat von den Mitgliedsstaaten. Solange ihr die Hauptstädte soufflieren, bleibt eine selbstbewusste EU mit mehr internationalem Gewicht Wunschdenken“, so Beer. Auch Michael Link, Mitglied des FDP-Bundesvorstands, sieht in von der Leyen eine Präsidentin der verpassten Chancen. „Niemand erwartet von ihr Wunder, aber es ist höchste Zeit für erste greifbare Ergebnisse und für weniger Dirigismus und mehr Pragmatismus“, so Link.