DJIR-SARAI/STARK-WATZINGER-Statement: Wir verlieren zu viele Fachkräfte an das Ausland

Im Anschluss an die Beratungen des Präsidiums der Freien Demokraten gaben FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und das Präsidiumsmitglied Bettina Stark-Watzinger die folgenden Statements ab.

Djir-Sarai: 

Schönen guten Tag, meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Anwesenheit. Wir haben heute im FDP-Präsidium über die aktuelle politische Lage, über die aktuellen Themen diskutiert und beraten. Wir haben dabei einen Beschluss gefasst mit dem Titel „Fachkräftemangel bekämpfen, Einwanderungspolitik neu ausrichten“. Dazu wird gleich meine Kollegin Bettina Stark-Watzinger sprechen. Ich werde vorab einige Anmerkungen zum Thema Konzertierte Aktion des Bundeskanzlers machen. Wie Sie wissen, startet heute die konzertierte Aktion gegen die Preissteigerungen. Der Bundeskanzler strebt einen längerfristigen Prozess an. Es ist nicht falsch, den Dialog mit Gewerkschaften, Arbeitgebern, Bundesbank und Wissenschaftlern systematisch und zielorientiert zu führen. Die steigende Preise, insbesondere die steigende Energiepreise machen uns alle große Sorgen. Eine Debatte über höhere Steuern und höhere Staatsausgaben halten wir trotzdem für falsch. Steuererhöhungen wären in dieser Situation toxisch für unser Land und für unsere gesamte Volkswirtschaft. Inflation bekämpft man nicht mit Steuererhöhungen und mehr Staatsausgaben, Inflation bekämpft man mit soliden Finanzen, also mit einer soliden Finanzpolitik. Das bedeutet die Rückkehr zur Schuldenbremse. Das ist aus unserer Sicht nach wie vor außerordentlich wichtig. Ebenso wie die Abschaffung der sogenannten kalten Progression als Instrument gerade in dieser Zeit. Denn es kann nicht sein, dass jemand, der eine Gehaltserhöhung bekommt, nichts davon merkt, weil diese Gehaltserhöhung aufgezehrt wird. Das ist aus unserer Sicht völlig falsch. Wir sollten uns nicht nur mit den Folgen der Inflation beschäftigen, sondern viel mehr mit den Ursachen auseinandersetzen. 

Stark-Watzinger: 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Krieg in Europa, digitale Transformation, Kampf gegen den Klimawandel und Pandemiebekämpfung – all das geht nur mit Köpfen. Wir sehen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen und deswegen muss unser Land genug Fachkräfte haben, um sich diesen Herausforderungen zu stellen. Wir sehen den demografischen Wandel. Wir sehen auch eine Veränderung im Skill-Shift. Aber wir sehen vor allen Dingen auch, dass wir noch zu viele Fachkräfte an das Ausland verlieren. Wir haben eine Netto-Abwanderung. Es ist also höchste Zeit, dass wir hier gegensteuern und aktiv werden. Das hat etwas mit Wettbewerbsfähigkeit, mit der Wirtschaft zu tun. Es hat aber auch mit unserem Staatshaushalt zu tun. Denn es ist ganz klar, die Zahlen zeigen es: Schon nach kurzer Zeit zahlen eingewanderte Fachkräfte in die Sozialkassen ein. Das heißt, sie helfen uns, die Herausforderung zu stemmen. In einem klassischen Einwanderungsland mit circa 500.000 Personen netto pro Jahr sind das mehrere Milliarden mehr in den Staatskassen. McKinsey und der Stifterverband haben dazu Zahlen vorgelegt. Es fehlen IT-Kräfte, es fehlen Techies. Es fehlen aber auch Pflegekräfte und es fehlen LKW-Fahrer. Wir sprechen hier über eine ganze Bandbreite. Und wenn vor zehn Jahren noch vereinzelt am Auto stand: Kollege/Kollegin gesucht, dann ist das heute überall. Hier müssen wir gegensteuern.

Die ersten Schritte wurden von der Regierung gemacht, durch die Entfristung bewährter Regelungen im Rahmen des Migrationspaktes, oder Erleichterungen beim Nachzug von Familienmitgliedern, bei IT-Kräften und anderen Fachkräften oder das Aufenthaltsrecht zur Bekämpfung von Kettenduldungen und zur Erleichterung für Bleiberechtsregelung. Das ist gut, denn es muss einen Unterschied machen, ob jemand in unser Land kommt und sich anstrengt, einbringt und auch hier seinen Beitrag leisten möchte. Und deswegen sind das gute Maßnahmen. Nichtsdestotrotz, das sind erste Schritte. Das sind Pflaster. Wir müssen grundlegend an das Einwanderungsrecht dran, zum Beispiel mit der Entfristung bewährter Ansätze wie der Westbalkan-Regelungen, aber auch mit einer Chancenkarte auf Punktebasis, damit man auch zur Jobsuche zu uns kommen kann. Und das zweite ist, dass wir die Blue Card für die Nicht-akademischen Berufe öffnen, denn es fehlen wirklich überall die Kräfte.

Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Ländern. Und deswegen ist es wichtig, dass wir attraktiv sein müssen. Das heißt, wir müssen uns dort, wo es darum geht, die Menschen zu erreichen, die zu uns kommen sollen, als Servicestellen verstehen. Die Ausländerbehörden und die Botschaften sind gefordert, sich als Aushängeschilder zu Verstehen. Schnelle Visavergabe, Digitalisierung der Visavergabe, schnelle Anerkennung der Berufsabschlüsse – auch hier passiert noch zu viel auf Papier. Da können wir viel schneller sein. Gerade in den Berufen, bei denen kein regulierter Zugang Besteht. Ein Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung könnte hier sehr viel leisten. Eine ganz große Hürde, gerade zum Anfang oder wenn es um die Attraktivität geht, ist natürlich die Sprache. Hier geht es darum, dass wir in der Verwaltung Englisch als zweite Sprache einführen, damit die Menschen, die zu uns kommen, auch den Zugang finden. Das Signal muss sein: Wir sind ein Einwanderungsland, wir wollen das. Wir wollen die Vielfalt. Und wir wollen die Menschen, die mit uns anpacken.