FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesminister für Digitales und Verkehr Dr. Volker Wissing gab dem „Deutschlandfunk“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Moritz Küpper:
Frage: Herr Wissing, was kann Deutschland der Ukraine im Bereich Cyber überhaupt anbieten?
Wissing: Dieser Überfall Russlands auf die Ukraine hat uns alle erschüttert und er hält uns auch weiterhin im Bann. Deswegen war klar, dass wir das Thema Cyber-Sicherheit und Sicherheit der Netzinfrastruktur heute aufsetzen. Der ukrainische Kollege ist auch zugeschaltet. Wir wollen einen unmittelbaren Eindruck bekommen, wie die Situation in der Ukraine sich darstellt, und wir wollen auch ein klares Signal in Sachen Cyber-Sicherheit und Resilienz senden.
Frage: Nach Ihrer Einschätzung – wir sehen da Bilder von einem sehr herkömmlichen Krieg. Welche Rolle spielt dieser Bereich Cyber in diesem Konflikt?
Wissing: Das Internet und die digitale Infrastruktur spielen eine große Rolle. Wir wissen alle, dass wir auf Digitalisierung angewiesen sind. Viele Dinge sind bereits digitalisiert und damit sind wir auch verletzbar an einer Stelle, die gravierende Folgen haben kann. Deswegen brauchen wir hier Netzsicherheit und ein gemeinsames und entschlossenes Vorgehen.
Frage: Wo gibt es denn da bereits Angriffe?
Wissing: Cyber-Angriffe sind jederzeit möglich und wir sind auch in diesen Zeiten besonders vorsichtig, um unsere sensible Infrastruktur zu schützen. Die Abwehr von Cyber-Angriffen ist eine Daueraufgabe, der wir uns gemeinsam stellen wollen und auch stellen müssen.
Frage: Die Bundesregierung hat hierzulande eine Serie von Cyber-Angriffen auf deutsche Behörden und Ministerien bestätigt. Es sollen aber keine Schäden entstanden oder Daten abgeflossen sein. Eine russische Gruppe hatte sich zu den Taten bekannt. Nimmt das zu, dieses Phänomen?
Wissing: Eindeutig ja, und deshalb müssen auch die Abwehrsysteme gestärkt werden, und das können wir gemeinsam am besten auf den Weg bringen. Wir haben gemeinsame Wertevorstellungen. Uns verbinden die Werte der Demokratie, der Verteidigung der Freiheit, der Meinungsfreiheit, und deswegen ist es wichtig, dass wir uns hier eng abstimmen und mit großer Geschlossenheit vorgehen.
Frage: Wie stärkt man sich da gegenseitig?
Wissing: Indem man sich austauscht, indem man sich die gegenseitigen Systeme auch zur Verfügung stellt und indem man modernste Technologien miteinander teilt.
Frage: Geht das so weit, dass man gemeinsame Armeen schafft?
Wissing: Hier geht es ja nicht nur um eine militärische Frage, sondern die Cyber-Abwehr ist auch eine Frage, die wir uns außerhalb des Krieges stellen müssen. Unsere sensiblen Infrastrukturen werden zunehmend digital. Wir sind in Deutschland dabei, beispielsweise die Bahn immer stärker zu digitalisieren. Das bedeutet natürlich, dass die Infrastruktur, wenn man sich ein Stellwerk anschaut, dann auch immer Gegenstand von Cyber-Angriffen sein kann. Aus der Ferne kann man in diesen Fällen großen Schaden anrichten und deswegen ist es so wichtig, dass wir gewappnet sind, dauerhaft, und immer auf dem neuesten Stand.
Frage: Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD will im Zuge dieser Auseinandersetzung, dieser Angriffe aus der Ferne, wie Sie es gerade genannt haben, Hackbacks erlauben, also Gegenschläge. Wie stehen Sie dazu?
Wissing: Das muss man sich im Einzelfall anschauen. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir hier stark sind und dass wir auch gerade auf der G7-Ebene gemeinsame Wertevorstellungen entwickeln müssen und unsere Überzeugungen in großer Geschlossenheit leben. Das heißt: Ich halte Alleingänge in diesem Bereich nicht für gut und bin deswegen sehr motiviert, dass wir heute auf der G7-Digitalministerkonferenz auch gemeinsame Signale senden, indem wir gemeinsame Positionen vereinbaren.
Frage: Ein Punkt ist ja der Bereich digitale Abschottung. China hat sich mit seinem Netz teilweise schon losgelöst vom Rest der Welt. Russland scheint das Ganze auch zu planen. Wie wollen Sie da einen Schritt nach vorne in einer globalisierten Welt machen, sprich, gleiche Regeln für alle Länder?
Wissing: Das ist eine große Herausforderung. Aber Abschottung kommt nicht in Betracht. Wir wollen keine Summe von Intranetzen haben, sondern wir wollen ein Internet haben, das ganz im Sinne der Erfinder freien Zugang ermöglicht. Wir wollen keinen Protektionismus, sondern freien Datenfluss.
Frage: Aber Abschottung scheint, angesichts der Weltlage, ja eher wahrscheinlicher zu sein, oder?
Wissing: Wenn wir uns abschotten, dann können wir die Potenziale der Digitalisierung nicht mehr nutzen. Die Digitalisierung basiert auf einem globalen Netzwerk und deswegen brauchen wir den freien Datenfluss. Wir brauchen den freien Datenaustausch, aber natürlich in einem Raum, der Regulierung enthält. Es muss Datenschutz gewährleistet sein und es muss auch eine faire Wettbewerbssituation sichergestellt werden. Und dazu brauchen wir internationale Regeln. Die können wir am besten im Kreis der G7 abstimmen und dann auch dafür sorgen, dass sie umgesetzt werden und dass das Netz offen bleibt, frei und gleichzeitig geschützt.
Frage: Wir haben über China gesprochen. Es gibt jetzt den Krieg mit Russland und der Ukraine. Es gibt aber auch aus den USA durchaus Anzeichen dafür, dass man dort misstrauisch sein kann. Datensicherheit ist das andere. Es gab auch Spionageangriffe auf die Bundesrepublik. Ist da nicht ein Umfeld von Misstrauen auch gegeben?
Wissing: Selbstverständlich muss man vorsichtig sein und es gibt überhaupt keinen Grund, Russland in irgendeiner Frage noch zu vertrauen. Gleichwohl müssen wir dafür sorgen, dass das Internet ein Raum der Freiheit bleibt. Ansonsten können wir das Potenzial nicht nutzen. Freier Datenaustausch ist sehr wichtig und wenn wir das Internet zu einer Summe von Intranetzen herunterstufen, dann bleiben wir unter unseren Möglichkeiten. Deswegen wollen wir das erreichen, was uns wichtig ist, nämlich die Freiheit im Netz und zugleich die notwendige Sicherheit und das Vertrauen stärken.
Frage: Können Sie denn den USA und den Tech-Konzernen dort vertrauen?
Wissing: Wir haben gleiche Wertegemeinschaften und brauchen Regeln. Wir vertrauen uns gegenseitig, dass wir die gemeinsamen Regeln einhalten.
Frage: Herr Wissing, Sie sind ja nicht nur Digital-, sondern auch Verkehrsminister. Ein Thema noch, das gerade viel diskutiert wird, ist ein Vorschlag, der gestern aus Ihrem Haus kam – so hat es zumindest das Handelsblatt berichtet –, die Förderung von Elektroautos massiv zu erhöhen. Bei Twitter war gestern dann ein erhobener Zeigefinger zu lesen auf Ihrem Twitter-Account: „Nein, das plant er nicht“, haben Sie da zu diesem neuen sogenannten E-Auto-Hammer geschrieben, sprich die Subventionierung für diese elektrischen Autos. Was stimmt denn nun?
Wissing: Das, was ich gesagt habe. Mein Haus hat weder gestern irgendwelche Vorschläge gemacht, noch plane ich eine Abwrackprämie oder eine höhere E-Mobilitätsprämie. Insofern ist damit alles gesagt. Ich kann mir diese Berichterstattung nicht erklären.
Frage: Sie können nicht erklären, dass das aus Ihrem Haus kommt? Das Handelsblatt hat in dem Fall falsch berichtet?
Wissing: Zwischen den Ministerien mag es auf Arbeitsebene einen Austausch geben, in dem bestimmte Positionen zur Diskussion gestellt werden. Die Position des Verkehrsministers ist das eindeutig nicht.
Frage: Sie schließen das damit für diese Legislaturperiode aus und verweisen auf das, was im FDP-Wahlprogramm steht, wo es heißt, es sind keine Subventionen in diesem Bereich geplant?
Wissing: Zunächst einmal machen Sie es richtig, indem Sie den Verkehrsminister fragen, was für eine Meinung er hat, und nicht die Meinung des Verkehrsministers veröffentlichen, ohne dass man ihn vorher gefragt hat. Aber zurück zum Kern des Themas: Ich schließe aus, dass wir eine Abwrackprämie einführen. Ich schließe auch aus, dass wir eine absurd hohe Förderung für den Kauf von E-Fahrzeugen einführen, und ich kann Ihnen ganz klar sagen, dass ich den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität durch marktwirtschaftliche Anreize erreichen möchte. Jeder, der mich fragt, bekommt diese Auskunft. Ich empfehle auch generell, bevor man meine Meinung veröffentlicht, mich danach zu fragen.